Louvre light à l’Oriental – Oder: die museale Retourkutsche

Abendland sieht Morgenrot. Oder auch Abendrot gen Morgenland. Dort jedenfalls hat die Morgenstund genug Gold im Mund beziehungsweise Öl im Boden, um abendländische Kultur im vermeintlichen All-inclusive-Paket zu shoppen einschliesslich Verfallsdatum. Wie anders soll man es nennen, wenn ein aus dem Überfluss seiner Ölquellen schöpfender Staat sich für eine Milliarde Euro die Namensrechte des Louvre samt Hunderten Leihgaben aus der Schatzkammer abendländischer Kunst käuflich erwirbt. Auf dreissig Jahre läuft der Vertrag mit dem Louvre, dann gehen die Namensrechte samt Leihgaben retour nach Frankreich. Es sei denn, bis dannzumal hat die Realität Michel Houellebecqs in «Unterwerfung» satirisch skizziertes Requiem auf Europa nicht längst schon eingeholt.


Wie auch immer: Klotzen, nicht kleckern ist derzeit im Morgenland angesagt. Das gilt gerade auch für die Hülle, sprich die 180 Meter weite Kuppel, die der französische Architekt Jean Nouvel über die lichtdurchfluteten Ausstellungsräume gespannt hat – zusammengesetzt aus achttausend sich überlagernden Stahlkreuzen. Nix da Tropenhitze, der Raum unter dem palmenförmigen Dach wird kühlend von einer Meeresbrise durchweht. Angesichts der komfortablen finanziellen Lage ist es auch kein Problem, für diese lauschige Umgebung eben mal kurz für 21 Millionen einen Mondrian bei Christie’s zu shoppen, nur um ihm dann im neuen Louvre neben eine Durchgangstür zu hängen. Nebenbei: Wie steht es eigentlich mit dem «Weltenretter Jesus», ich meine jenen «Salvator Mundi» von Leonardo da Vinci, der bei Christie’s für den Rekord-Preis von 450 Millionen Dollar über den Tisch ging? Namen werden ja gewöhnlich keine preisgegeben. Findet sich der «Salvator Mundi» demnächst in der Wüstenfiliale des Louvre wieder?
Mit Blick auf den ost-westlichen Kuh… öhm… Kunsthandel möchte man vorwurfsvoll einwerfen, dass sich die Emirate – zugegebenermassen gegen viel Geld – die Rosinen aus dem europäischen Konzept des Museums picken, sich aber keinen Deut um das Gesamtpaket scheren. Das Museum Abu Dhabi kommt relativ substanzlos daher, ohne gewichtigen historischen Background, geschweige denn mit Anspruch auf Vollständigkeit.


Dagegen könnte man auch einwenden, dass die Wüstenkuppel irgendwie eine erfrischende Schneise durchs selbstgefällige europäische Verständnis von Kulturgeschichte schlägt. Einst karrten nicht nur Franzosen, auch andere Europäer jede Menge Exponate orientalischer Provenienz in europäische Kulturtempel. Das Louvre Abu Dhabi mit Anspruch auf Universalität im Schnittpunkt Asien, Afrika und Europa macht es aktuell andersherum, bedient sich einer Art Retourkutsche. Und für die termingeplagten Besuchenden erst noch im Zeitraffertempo: Im Gegensatz zum zeit- und raumfordernden europäischen Original lässt sich die orientalische Louvre-Filiale mit seiner ständigen Sammlung von gerade mal 634 Werken in zwei Stunden bewältigen.

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